"Gut, dass du mich bekommen
hast, Mama!"
Von HENDRIK PUSCH
KÖLN – Sie liebt ihren Sohn über alles. Monika
L. (37) geht mit Marlon (11; Namen geändert) in den Zoo und auf den Spielplatz.
Sie hilft bei den Schularbeiten. Alles, was Mutter und Kind so machen. Doch
Marlons Vater ist ein Verbrecher, ein Vergewaltiger, der nie geschnappt wurde.
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Monika L. mit dem Foto ihres neugeborenen Sohnes.
Nachdem sie vergewaltigt wurde,
brachte sie das Kind zur Welt.
„Ich habe nie an eine Abtreibung gedacht“, sagt sie.
Foto: Udo Gottschalk
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Schwanger von einem Vergewaltiger. Ein gesellschaftliches
Tabuthema. Doch Monika L. will nicht länger schweigen. „Ich möchte Frauen, die
das Gleiche wie ich erlebt haben, Mut machen, zu ihrem Kind zu stehen“, sagt
sie.
Rückblende, Oktober 2002: Monika L. wollte abends eine
Galerie in Köln besuchen, draußen war es schon dunkel. Vorher wollte sie noch
schnell auf die öffentliche Toilette. Und dort geschah es.
Ein Sex-Täter überfiel Monika L., vergewaltigte sie und
verschwand. Unter Schock lief die junge Frau nach Hause. Zur Polizei ging sie
nicht.
„Ich wollte das alles nur vergessen, habe alles
verdrängt.“ Bis heute kann sie sich nur in Bruchstücken an den brutalen
Überfall erinnern.
Ein paar Wochen nach dem Verbrechen spürte sie Schmerzen
im Unterleib, ging zum Frauenarzt. Ein paar Tests, dann war klar: Monika war
schwanger. Sie war zu dieser Zeit Single, der Vater konnte nur der
Vergewaltiger sein. Erst jetzt erstattete sie Anzeige. Doch die Ermittler haben
den Täter nie gefunden.
Was blieb, war ein Bauch, der immer größer wurde. Eine
emotionale Ausnahmesituation. Sollte sie das Kind behalten, das Kind von einem
Sex-Täter? „Ich habe nie wirklich an eine Abtreibung gedacht“, sagt Monika L.
heute. Auch mehrere Menschen aus ihrem Umfeld hätten sie unterstützt, das Kind
zu bekommen. Immer habe sie sich gesagt: „Das Baby kann doch nichts dafür.“
Gleichwohl ging es ihr in der Schwangerschaft sehr
schlecht. „Ich war depressiv, konnte mich gar nicht auf das Kind freuen“,
erzählt sie dem EXPRESS.
Ihr Sohn kam per Kaiserschnitt zur Welt, vier Wochen zu
früh. „Als ich ihn sah, war ich hin und weg, der Kleine war so süß“, sagt sie.
Doch die Erinnerung an die Vergewaltigung kommt immer
wieder hoch. „Ich habe Trauma-Therapien gemacht, bin immer noch in
psychologischer Behandlung.“ Wenn Monika L. an dunklen Unterführungen
vorbeikommt, bekommt sie Panik, Herzrasen. Doch sie will stark sein. Für sich
und für ihren Sohn.
Marlon, heute elf, hat erst im vergangenen Jahr die ganze
Geschichte erfahren, eine Therapeutin war dabei. Er weinte, sagte dann aber zu
seiner Mutter Monika: „Gut, dass du mich bekommen hast, Mama.“
Wer bezahlt den Unterhalt?
2013 wurden 7408 Vergewaltigungen in Deutschland
angezeigt. Davon 1850 in NRW. In Köln wurden 198 Fälle gezählt, in Düsseldorf
108 und in Bonn 66.
Doch was, wenn eine Frau schwanger von einem
Vergewaltiger wird? Laut § 218a ist dann eine Abtreibung bis zum dritten Monat
erlaubt. Es gibt keine Zahlen darüber, wie viele Frauen das betrifft.
Klar ist: Mütter von Kindern eines Vergewaltigers, der
nicht gefasst wurde, können Unterhaltsvorschuss beim Jugendamt beantragen. „Der
gilt allerdings nur für sechs Jahre“, sagt Familienrechtlerin Sabine Willutzki.
Wenn das Kind das zwölfte Lebensjahr erreicht hat, besteht kein Anspruch mehr.
Danach hat die Mutter die Möglichkeit, beim zuständigen
Landschaftsverband Opferentschädigung zu beantragen.
Wurde der Vergewaltiger ermittelt, muss er den Unterhalt
für das Kind zahlen.
„Man muss das Kind und die Tat trennen“
Schwanger nach einer Vergewaltigung: Das ungeborene Kind
werde zu einem ständigen Auslöser für die traumatische Erfahrung, sagt
Psychiater Karl Heinz Brisch. „Dazu gehören neben Affekten von Hilflosigkeit,
Ohnmacht, Ausgeliefertsein, Scham und pathologischen Schuldgefühlen auch
mörderische Wut.“
Trotzdem entscheiden sich nicht wenige vergewaltigte
Frauen für das Kind. Diplom-Psychologin Susanne Heynen: „Die Schwangerschaft
löst einen Perspektivwechsel aus. In den Vordergrund rückt die Verantwortung,
die die Frau durch die Schwangerschaft gegenüber dem Kind annimmt.“
So sieht es auch Familientherapeutin Elke Eyckmanns:„Die
Schwierigkeit besteht darin, das Augenmerk komplett auf das Kind zu legen. Im
Entscheidungsprozess, ob man abtreibt oder nicht, befinden sich betroffene
Frauen meist in einer Phase, in der die Tat noch allgegenwärtig ist. Hier muss
der Frau bewusstwerden, dass sie sich für das Kind entscheidet, unabhängig von
der Tat und dem Täter.“
Auch für das Kind ist es keine einfache Situation, wenn
es erfährt, dass es durch eine Vergewaltigung entstanden ist.
Elke Eyckmanns: „Das Kind muss auch beim Heranwachsen
immer wieder damit umgehen, dass ein Teil von ihm nicht gewollt ist. Bei einer
liebenden Mutter, die ihre Wut und negativen Gefühle gegenüber dem
Vergewaltiger nicht auf ihr Kind projiziert, kann das Akzeptieren der Situation
gelingen. Davor muss man großen Respekt haben.“
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