von Bernward Büchner
Vor vielen Jahren schrieb der Staatsrechtler Josef
Isensee, die Abtreibung als Leistung der Sozialversicherung bedeute: „Der Staat
tötet“. Daran hat sich inzwischen nichts geändert. Das flächendeckende Angebot
von Einrichtungen zur Vornahme von Abtreibungen ist eine „Staatsaufgabe“ und
der tötende Eingriff eine Kassenleistung, die teils von den Beitragszahlern und
teils aus der Staatskasse finanziert wird. Nach dem Abtreibungsurteil des
Bundesverfassungsgerichts von 1993 jedoch darf unser Rechtsstaat sich an der
Tötung ungeborener Kinder nicht beteiligen, von deren Rechtmäßigkeit er nicht
überzeugt sein kann wie bei der nach dem „Beratungskonzept“ erfolgenden. Das
betrifft etwa 98 Prozent der Schwangerschaftsabbrüche, also nahezu alle. Der
Sozialstaat, so die Karlsruher Richter, könne nur mit den Mitteln des
Rechtsstaats verwirklicht werden. Mit der staatlichen Schutzpflicht für das
ungeborene menschliche Leben sei die Gewährung von Leistungen für solche Schwangerschaftsabbrüche
nicht vereinbar. Denn dadurch würde „das allgemeine Bewusstsein in der
Bevölkerung, dass das Ungeborene auch gegenüber der Mutter ein Recht auf Leben
hat und daher der Abbruch der Schwangerschaft grundsätzlich Unrecht ist,
erheblich beschädigt“.
Dieser Beschädigung, ja Zerstörung des Rechtsbewusstseins
haben die Verfassungsrichter, alle hehren Grundsätze über Bord werfend, jedoch
selbst Tür und Tor geöffnet. Eine Inanspruchnahme der Sozialversicherung haben
sie nur insoweit ausgeschlossen, als es um „den Abbruch selber“ geht. Dessen
Kosten dürften bei Bedürftigkeit der Frau freilich vom Staat übernommen werden.
Dieses Schlupfloch nutzend legt das Gesetz zur Hilfe für Frauen bei
Schwangerschaftsabbrüchen „in besonderen Fällen“ die Grenze der Bedürftigkeit
derart fest, dass seine Praxis zu einer Kostenerstattung aus den Haushalten der
Länder für über 90 Prozent der „beratenen“ Kindestötungen in einer Höhe von
jährlich mehr als 40 Millionen Euro führt. Gerechtfertigt soll diese skandalöse
Praxis deshalb sein, weil die Inanspruchnahme eines Arztes nicht am Fehlen der
hierfür erforderlichen finanziellen Mittel scheitern dürfe und die Frau sonst
den Weg in die Illegalität suchen und gesundheitlichen Schaden erleiden könne.
Doch welche Frau wird heute noch wegen der Kosten von rund 300 Euro den Weg zum
Arzt scheuen? Zu den legitimen Mitteln eines Rechtsstaats gehört jedenfalls
nicht die rechtswidrige Tötung ungeborener Kinder durch Ärzte im
Gesundheitsinteresse der Mutter.
Nach der jüngsten Geburtenstatistik des EU-Statistikamtes
Eurostat nahm Deutschland im Jahr 2009 unter allen EU-Mitgliedsstaaten erneut
mit Abstand den letzten Platz ein. Die unbestreitbaren Folgen dieser
Entwicklung sind verheerend. Höchste Zeit aufzuwachen und den verhängnisvollen
Weg der Tötung ungeborener Kinder durch den Staat endlich zu verlassen.
Der Verfasser ist Vorsitzender Richter am
Verwaltungsgericht a.D. und Vorsitzender der Juristen-Vereinigung Lebensrecht
e.V. (Köln).
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