Hören, tasten, Glücksgefühle – was kann ein Baby im Bauch
einer Schwangeren fühlen? Bekommt es Stress, Freude oder Trauer mit? Ab wann
kann es hören, sehen oder Schmerz empfinden?
Wissenschaftler sind diesen Fragen auf den Grund
gegangen. Die Meinung, dass eine Frau erst dann ein Baby hat und Mutter ist,
wenn ihr Kind die Gebärmutter verlassen hat, ist durch die Möglichkeit im
Ultraschall, schon frühe Blicke auf den Fötus zu werfen, zurückgegangen.
Heute spüren immer mehr Eltern, dass sie bereits Vater
und Mutter sind, wenn sich ihr Baby noch im Mutterleib befindet. Sie bauen also
früher eine Beziehung zu dem Kind auf und interessieren sich dadurch zunehmend,
was der Fötus eigentlich schon alles kann. Fragen, auf die Wissenschaftler
erstaunliche Antworten haben.
Wie wichtig der Bauch im Seelenleben eines Menschen ist,
sagt schon die Umgangssprache: Man hat „Wut im Bauch“ oder spürt
„Schmetterlinge im Bauch“. Wie ist es erst, wenn man einen kleinen Menschen im Bauch
hat? Kommen die Bauchgefühle der Mutter beim Ungeborenen an? Der Psychologe Dr.
Ludwig Janus ist sich da absolut sicher: „Wenn wir mit einem anderen Menschen
so eng zusammen sind, wie das vor der Geburt der Fall ist, nehmen wir dessen
Gefühle auf sehr vielen Ebenen wahr“, betont er in einem Interview. Janus
glaubt sogar: „Die vorgeburtlichen Prägungen sind die tiefsten“.
Als sicher gilt, dass unter anderem bestimmte mütterliche
Hormone als Botenstoffe wirken. Sie sind verantwortlich für An- und Entspannung,
Trauer, Wut oder Freude der Mutter für das Baby fühlbar, denn die Plazenta gibt
diese Botenstoffe an das Kind weiter. Stress oder Freude - die Gefühle der
Mutter werden durch das Nabelschnurblut rasch an das Ungeborene weitergeleitet.
Das Umfeld während der Schwangerschaft
spielt eine große
Rolle
Die Gefühle der Mutter scheinen die junge Seele des Babys nachhaltig zu beeinflussen. „Das entstehende Gehirn des Ungeborenen schaltet sich so, wie das Milieu es vorgibt“, erklärt Dr. Janus, Lehranalytiker und Dozent an verschiedenen Forschungsinstituten. „Wenn dieses Umfeld sehr beängstigend ist, dann werden eher die Synapsen (Nervenverbindungen) für Angst, Unruhe und Stress ausgebildet und weniger die für Glück und Zufriedenheit. Steht aber die Mutter in einem guten Verhältnis zur Schwangerschaft, so ist es umgekehrt. Dann fühlt sich das Kind auch gewünscht“, glaubt Janus. Manche Forscher sprechen sogar von einer vorgeburtlichen Einstellung eines Menschen, die lebenslang nachwirkt.
Wie wichtig positive Gefühle der Mutter während der
Schwangerschaft sind, beobachten Wissenschaftler im Mutterleib durch
Ultraschall. Babys reagieren sichtbar auf negative Gefühle der Schwangeren. Die
einen werden unruhig, ihre Bewegungen sind fahrig. Die andren machen sich klein
und ziehen Arme und Beine dicht an den Körper heran. Auch die Mimik des
Gesichts zeigt, dass das Kind bereits in der 28. Woche ein reiches Gefühlsleben
hat. Im hochauflösenden Spezial-Ultraschall sieht man, wie Babys die Stirn in
Faltenlegen oder ihr kleines Gesicht entspannen. Sie zeigen sogar schon
Andeutungen eines Lächelns. Wie schädlich überwiegend negative Gefühle der
Schwangeren sind, zeigt sich auch am Neugeborenen. Werdende Mütter, die
überdurchschnittlich gestresst, depressiv oder angsterfüllt waren, bekommen
häufiger Kinder mit einem unterdurchschnittlich entwickelten Gehirn. Solche
Kinder, sagt Janet Di Pietro, Professorin an der John Hopkins Universität von
Baltimore (USA), wirken auch noch sechs Wochen nach der Geburt zurückgeblieben,
sind schlaffer, schwächer und motorisch ungeschickter.
Mathias von Gersdorff in „Kultur und Medien Online“, 24.06.2013
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