Donnerstag, 21. Mai 2015

Was fühlen Babys während der Schwangerschaft?


Hören, tasten, Glücksgefühle – was kann ein Baby im Bauch einer Schwangeren fühlen? Bekommt es Stress, Freude oder Trauer mit? Ab wann kann es hören, sehen oder Schmerz empfinden?
Wissenschaftler sind diesen Fragen auf den Grund gegangen. Die Meinung, dass eine Frau erst dann ein Baby hat und Mutter ist, wenn ihr Kind die Gebärmutter verlassen hat, ist durch die Möglichkeit im Ultraschall, schon frühe Blicke auf den Fötus zu werfen, zurückgegangen.
Heute spüren immer mehr Eltern, dass sie bereits Vater und Mutter sind, wenn sich ihr Baby noch im Mutterleib befindet. Sie bauen also früher eine Beziehung zu dem Kind auf und interessieren sich dadurch zunehmend, was der Fötus eigentlich schon alles kann. Fragen, auf die Wissenschaftler erstaunliche Antworten haben.
Wie wichtig der Bauch im Seelenleben eines Menschen ist, sagt schon die Umgangssprache: Man hat „Wut im Bauch“ oder spürt „Schmetterlinge im Bauch“. Wie ist es erst, wenn man einen kleinen Menschen im Bauch hat? Kommen die Bauchgefühle der Mutter beim Ungeborenen an? Der Psychologe Dr. Ludwig Janus ist sich da absolut sicher: „Wenn wir mit einem anderen Menschen so eng zusammen sind, wie das vor der Geburt der Fall ist, nehmen wir dessen Gefühle auf sehr vielen Ebenen wahr“, betont er in einem Interview. Janus glaubt sogar: „Die vorgeburtlichen Prägungen sind die tiefsten“.
Als sicher gilt, dass unter anderem bestimmte mütterliche Hormone als Botenstoffe wirken. Sie sind verantwortlich für An- und Entspannung, Trauer, Wut oder Freude der Mutter für das Baby fühlbar, denn die Plazenta gibt diese Botenstoffe an das Kind weiter. Stress oder Freude - die Gefühle der Mutter werden durch das Nabelschnurblut rasch an das Ungeborene weitergeleitet.
Das Umfeld während der Schwangerschaft
spielt eine große Rolle


Die Gefühle der Mutter scheinen die junge Seele des Babys nachhaltig zu beeinflussen. „Das entstehende Gehirn des Ungeborenen schaltet sich so, wie das Milieu es vorgibt“, erklärt Dr. Janus, Lehranalytiker und Dozent an verschiedenen Forschungsinstituten. „Wenn dieses Umfeld sehr beängstigend ist, dann werden eher die Synapsen (Nervenverbindungen) für Angst, Unruhe und Stress ausgebildet und weniger die für Glück und Zufriedenheit. Steht aber die Mutter in einem guten Verhältnis zur Schwangerschaft, so ist es umgekehrt. Dann fühlt sich das Kind auch gewünscht“, glaubt Janus. Manche Forscher sprechen sogar von einer vorgeburtlichen Einstellung eines Menschen, die lebenslang nachwirkt.
Wie wichtig positive Gefühle der Mutter während der Schwangerschaft sind, beobachten Wissenschaftler im Mutterleib durch Ultraschall. Babys reagieren sichtbar auf negative Gefühle der Schwangeren. Die einen werden unruhig, ihre Bewegungen sind fahrig. Die andren machen sich klein und ziehen Arme und Beine dicht an den Körper heran. Auch die Mimik des Gesichts zeigt, dass das Kind bereits in der 28. Woche ein reiches Gefühlsleben hat. Im hochauflösenden Spezial-Ultraschall sieht man, wie Babys die Stirn in Faltenlegen oder ihr kleines Gesicht entspannen. Sie zeigen sogar schon Andeutungen eines Lächelns. Wie schädlich überwiegend negative Gefühle der Schwangeren sind, zeigt sich auch am Neugeborenen. Werdende Mütter, die überdurchschnittlich gestresst, depressiv oder angsterfüllt waren, bekommen häufiger Kinder mit einem unterdurchschnittlich entwickelten Gehirn. Solche Kinder, sagt Janet Di Pietro, Professorin an der John Hopkins Universität von Baltimore (USA), wirken auch noch sechs Wochen nach der Geburt zurückgeblieben, sind schlaffer, schwächer und motorisch ungeschickter.

Mathias von Gersdorff in „Kultur und Medien Online“, 24.06.2013

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