Max Klieber
Es
ist einer der schönsten Momente im Leben: Die Geburt des eigenen Kindes. Jedoch
vergehen nach der Geburt meistens nur noch wenige Minuten, bis die eigene
Mutter mit dem Handy beschäftigt ist, so Hebamme Nicole Wieditz des Klinikums
Darmstadt.
Dieses
Verhalten, kann diesen besonderen Moment schnell zerstören. Laut Hebamme
Wieditz dokumentiere in den meisten Fällen der Vater die Geburt oder sogar
schon die Wehen der Frau. Kurze Erinnerungsfotos seien verständlich und sind in
den meisten Fällen normal, jedoch sollte es dabei dann auch bleiben, da
Neugeborene eine ungeteilte Aufmerksamkeit brauchen. Trauriger Weise geht der
Trend dahin, dass viele diese aufgenommenen Fotos und Videos an Freunde und
Familie versenden und sogar in den sozialen Medien sofort teilen. Dadurch wird
die Aufmerksamkeit, welche dem neugeborenen Kind gehören sollte, sofort nach
außen getragen. „Den Eltern ist es gar nicht mehr bewusst, wann die Nutzung des
Handys zu viel wird, da es mittlerweile selbstverständlich zum Alltag
dazugehört“, erklärt Alexandra Daum, Hebamme am Kreiskrankenhaus Heppenheim.
Auch sie beobachtet den ansteigenden Trend zur Mitteilung und Veröffentlichung
der Geburt von Eltern auf „Social Media“. Ein weiteres noch größeres Problem
seien die Tage danach, wenn die Mutter sich weiterhin dem Handy statt dem Baby
widmet und auf die Resonanz der Öffentlichkeit bezüglich ihrer frohen Nachricht
wartet… Denn das Kind merkt es sofort wenn die Mutter emotional nicht ganz bei
der Sache ist. Und nicht nur Hebammen machen auf die Gefahren des ansteigenden
Trends aufmerksam, sondern auch Fachleute warnen vor den daraus resultierenden
Folgen: „Alles, was eine Mutter davon ablenkt, sich ihrem Kind während der
ersten Tage zu widmen, ist Gift für das sich entwickelnde Gehirn ihres Kindes
und Gift für die sich entwickelnde Beziehung zwischen der Mutter und ihrem
Kind“, so Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther.
Wenn der Blick nicht erwidert wird resignieren Kinder
Weitere
Studien haben eindeutige Ergebnisse: „Wenn das Kind eine sichere Bindung hat,
dann sucht es immer wieder den Kontakt“, sagt Entwicklungspsychologin an der
Universität Heidelberg. Hat die Mutter aber einen teilnahmslosen Blick - etwa
weil sie psychisch krank ist oder das Kind wegen des Handys dauernd ignoriert -
dann stelle man bei diesen Kindern schon im Alter von vier Monaten fest, dass
sie den Blick vermeiden. „Sie lernen, ,es ist unangenehm, wenn die Mutter nicht
zurückschaut, also schaue ich lieber nicht hin‘“, erklärt die Forscherin. „Schon
ganz kleine Kinder resignieren dann“. Weitere Folgen davon könnten beim Stillen
sein, oder dass das Kind in Stress gerät und dadurch weniger oder einen
unruhigen Schlaf hat.
Die
beste Lösung für diese Situation sei ein Handyverbot im Kreißsaal, was jedoch
schwer umzusetzen ist. Die Hebammen Nicole Wieditz und Alexandra Daum setzen
somit auf präventive Aufklärung im Vorfeld, damit dieser einzigartige Moment
den Eltern in Erinnerung bleibt und nicht sofort mit der Öffentlichkeit geteilt
wird.
Quelle: SOS LEBEN - DVCK e.V. - „Berichte, Kommentare, Initiativen“ Nr. 1/ Mai 2023
Foto: Symbolbild - Getty Images