Aber nicht nur der Krieg zerstört den Frieden.
Jedes
Vergehen gegen das Leben ist ein Attentat auf den Frieden, besonders wenn dabei
die Sitten des Volkes verletzt werden, wie dies heute häufig durch die
furchtbare und zuweilen vom Gesetz geregelte Leichtfertigkeit geschieht, mit
der das ungeborene Leben durch die Abtreibung ausgelöscht wird.
Man pflegt zugunsten
der Abtreibung folgende Gründe zu nennen: die Abtreibung soll die bedrohliche
Vermehrung der Bevölkerung eindämmen, sie soll Lebewesen beseitigen, die
verunstaltet leben müssten, in sozialer Diskriminierung oder in proletarischem
Elend und so fort. Die Abtreibung scheint also eher dem Frieden zu nützen, als
ihm zu schaden. Aber so ist es gerade nicht! Die Tötung eines menschlichen
Lebewesens, sei es vor der Geburt, sei es danach, verletzt in erster Linie das
unantastbare Moralprinzip, auf das sich die Auffassung von der menschlichen
Existenz immer beziehen muss: Das Leben des Menschen ist unantastbar und heilig
vom ersten Augenblick seines natürlichen Lebens an in der Zeit. Es ist heilig.
Was bedeutet das? Das heißt, dass dieses Leben jeglicher willkürlichen Macht der
Zerstörung entzogen ist; es ist unantastbar und so wertvoll, dass es alle
Hochschätzung, alle Pflege und jedes auch große Opfer verdient. Dieser Sinn für
den heiligen, das heißt für den unantastbaren, unverletzbaren Wert eines
menschlichen Lebens ist für den, der an Gott glaubt, spontan und instinktiv
gegeben; er ist verpflichtend aufgrund des transzendenten Gesetzes Gottes. Aber
auch für denjenigen, der nicht das Glück hat, Gottes schützende und richtende
Hand über jedem Menschenleben anerkennen zu können, ist dieser Sinn
notwendigerweise als intuitive Einsicht in die menschliche Würde gegeben. Das
wissen und empfinden auch diejenigen, die das Unglück gehabt haben, mit der
damit verbundenen unerbittlichen Schuld und den immer wiederkehrenden Gewissensbissen
willentlich ein Leben ausgelöscht haben. Die Stimme des unschuldigen Blutes
schreit im Herzen des Mörders mit schriller Eindringlichkeit. Innerer Friede
ist nicht möglich auf dem Wege egoistischer Spitzfindigkeiten!
Paul VI. Botschaft zum Weltfriedenstag 1977 v. 8.12.76